Freitag, Dezember 08, 2006

New Bern und sein 100jähriges «Blöterliwasser»


Vor hundert Jahren erfand der Apotheker Caleb Bradham in der amerikanischen Kleinstadt New Bern (Bundesstaat North Carolina) das Sprudelwasser Pepsi-Cola. Für den Softdrink-Konzern und die 3500 New Berner ist das Jubiläum Anlass für ausgiebige Feierlichkeiten.

Der Sommer 1898 war, glaubt man den Annalen North Carolinas, ungewöhnlich feucht und heiss. Um seine Kunden mit einem «spritzigen Getränk» zu erfrischen, experimentierte der Apotheker Caleb Bradham vor 100 Jahren in New Bern mit Säften und Aromazusätzen (vgl. BaZ vom Samstag). Einmal vermischte er Coca-Blätter mit Ölen und Vanille, löste das Extrakt in kohlensäurehaltigem Wasser auf und nannte den braunen Sirup «Brad's Drink».

Von Peter Schibli, New Bern

Zur Überraschung des Herstellers fand das zuckerhaltige Gebräu reissenden Absatz. Am 28. August 1898 taufte Caleb Bradham seine Erfindung offiziell «Pepsi-Cola». Da die Nachfrage in den kommenden Monaten ungeahnte Ausmasse annahm, entschloss sich der Apotheker, seinen ursprünglichen Beruf an den Nagel zu hängen und sich vollständig der Softdrink-Produktion zu widmen.

Unterstützt von Angestellten füllte er das Sprudelwasser in einer alten Liegenschaft in Flaschen ab und lieferte diese per Pferdefuhrwerk an Getränkehändler sowie Restaurants aus. 1902 gründete er die «Pepsi Cola Company» und beantragte die Eintragung seines Produkts als Handelsmarke. Dem Gesuch wurde am 16. Juli 1903 stattgegeben. Unter der Marken-Nummer 40 619 produzierte und vertrieb der Ex-Apotheker im selben Jahr rund 30 000 Liter des neuen Softdrinks.

«Erheiternd, kräftigend und die Verdauung fördernd». Mit diesem Slogan warb Bradham fortan für sein Produkt. 1905 begann er weitere Städte North Carolinas, darunter Charlotte und Durham, zu beliefern. Ende 1910 war Pepsi-Cola in 24 US-Bundesstaaten vertreten. Die flüssige Innovation machte Bradham reich und berühmt.

Während des Ersten Weltkriegs verliess ihn das Glück: Explodierende Zuckerpreise und eine stagnierende Nachfrage machten das Geschäft unrentabel. Im März 1923 sah sich Bradham gezwungen, Konkurs anzumelden. In der Not verkaufte er sein Unternehmen an den Wallstreet-Broker Roy C. Megargel. Dieser verlegte den Pepsi-Sitz in die Hauptstadt Virginias, nach Richmond; Bradham wurde wieder Apotheker.

Spätere Firmenbesitzer zog es weiter nordwärts. Heute befindet sich der Sitz des Getränkekonzerns in Purchase (New York). USA-weit existieren 550 Abfüllstandorte. Weltweit arbeiten Fabriken in 125 Ländern. 1972 gab Moskau die Einwilligung, dass Pepsi als erstes amerikanisches Produkt in der Sowjetunion hergestellt werden durfte. Und mit Michael Jackson hatte man während Jahren einen der Superstars unserer Zeit als Aushängeschild und Werbeträger gewinnen können.

Trotz des Wegzugs des Firmensitzes sind die «New Berner» stolz auf «ihren» Softdrink. Mit einer Pepsi-Walking-Tour, einem Feuerwerk, einer Theateraufführung, Konzerten und einer Sonderausstellung feiern sie in diesem Monat das 100jährige Bestehen. An einer farbigen Parade durch die Altstadt nahmen Anfang April Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur teil.

Berner Aristokraten

New Bern wurde 1710 vom Berner Einwanderer Baron Christopher de Graffenried gegründet. Als einstige Hauptstadt des Bundesstaates und Druckerei-Pionierin zehrt es von der Vergangenheit - hat seine Zukunft aber offensichtlich noch vor sich: Die wirtschaftlichen Entwicklungssignale sind vielversprechend. Im Westen der Kleinstadt entsteht eine moderne Industriezone mit Dutzenden von Geschäften und Betrieben. Strassen werden neu angelegt, die Brücke soll renoviert werden. Laut einer Studie wird die Bevölkerung im «Graven County» in den nächsten zehn Jahren 56 Prozent wachsen. Während sich im «Pepsi-Theater» die Chelsea-Singer verabschieden und das «Graven Brass Quartett» die Instrumente einpackt, machen wir uns auf den Heimweg. Dabei fällt uns auf, dass dem Berner Mutz auf der «New-Bern-Fahne» das «Geschlechtszipfelchen» fehlt.

Ist die öffentliche Darstellung eines Bären-Penis in North Carolina «politically incorrect?», fragen wir. «Keineswegs», ruft uns einer der Pepsi-Experten nach: «Ihr in der Schweiz habt den Papa-Bären. Wir in New Bern sind stolz auf unseren Mama-Bären.»

(Basler Zeitung, Juni 1996)

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