Samstag, Mai 29, 2010

Direkter Demokratie mit oder gegen Menschenrechte?

Freiheits- und völkerrechtswidrige Initiativen seien auf dem Vormarsch, hiess es am Samstag auf einer Versammlung in Solothurn mit über 200 Teilnehmern aus menschenrechts- und demokratiepolitischen Organisationen. Angesichts dieser Tatsache seien Reformen nötig. Abstimmungen wie jene über das Minarettverbot seien - da undemokratisch und nicht umsetzbar - zu vermeiden. Darum müsste der Schutz der Menschenrechte und die direkte Demokratie in der Bundesverfassung genauer ausgestaltet werden.

Nach Workshops und Diskussionen verabschiedeten die Teilnehmenden eine Solothurner Erklärung.

Für mich war der Anlass spannend wegen des Wiedersehens mit meinem Dr-Vater Prof. Jörg Paul Müller, den Begegnungen mit den Nationalräten Andi Gross, Daniel Vischer und Kurt Flury, aber auch wegen den wertvollen Gesprächen mit alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay und dem Schriftsteller Martin Dean.

Andi Gross vertrat die These, dass sich die Schweiz mit dem Ja zur Minarettsverbots-Iniative einen Bärendienst erwiesen habe: "Das Ergebnis der Abstimmung vom November 2009 wird weltweit als Argument gegen die Direkte Demokratie verstanden", sagte der SP-Nationalrat und fügte nahtlos an, selbstverständlich habe nicht die Schweiz diesen Umstand zu verantworten, sondern die Mehrheit der Abstimmenden, welche das Ja zum Minarettverbot möglich gemacht hätten.

Das Problem ist seit Jahren bekannt: Eine Initiative kommt zustande, verletzt oder ritzt aber die Grundrechte. Die Möglichkeiten, das Volksbegehren durch das Parlament für verfassungswidrig zu erklären und einer Volksbefragung zu entziehen, sind beschränkt. Bisher obsiegte das Argument "Direkte Demokratie" über das Argument "Grundrechtsschutz".

Die Annahmen der Verwahrungsiniative und der Minarettverbots-Initiative haben gezeigt, dass die Umsetzung der entsprechenden Begehren völkerrechtlich problematisch, wenn nicht gar völkerrechtswidrig wäre.

Was tun? Den Volkswillen missachten und das Begehren einfach nicht umsetzen?? Innen- wie aussenpolitisch eine Unmöglichkeit. Verliererin wäre (auch) die Direkte Demokratie. Wenn Begehren nicht umsetzt, die eine Mehrheit des Souveräns beschlossen hat, ist das Missachtung des Volkswillen.

Wenn man völkerrechtswidrige Initiativen aber umsetzt, dann diskreditiert oder verletzt man die Grundrechte und kommt in Konflikt mit höherem Recht (EMRK).

Fazit: Die Schnittstelle zwischen Demokratie und Menschenrechten muss besser organisiert werden.

Die Landhausversammlung hat hierzu zwei Wege diskutiert:

- Es wird überlegt, eine Eidgenössische Volksinitiative zur Festigung der Grund- und Menschenrechte als wichtigste Stütze unserer Demokratie zu starten. Die nächste Versammlung am 9. Oktober 2010 wird im Landhaus diese Schiene weiter diskutieren.

- Die Gründe zur Ungültigkeitserklärung einer Volksinitiative sollen so erweitert werden, dass keine Volksabstimmungen mehr durchgeführt werden können über Volksinitiativen, die elementare Grund- und Menschenrechte verletzen. Nationalrat Daniel Vischer hat zu diesem Punkt eine Parlamentarische Initiative eingereicht.

Auf die weiteren Diskussionen darf man gespannt sein. Die Diskussion um ein Burka-Verbot lässt grössen.

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