Freitag, März 26, 2010

Die Russen

Iwan und Sascha stehen am Beckenrand. Genüsslich blicken sie in den Pool, wo zwei Schönheiten ihre Runden drehen. Noch genüsslicher lassen sie ihren Blick über die anliegenden Pritschen schweifen. „Die dort drüben mit dem blauen Tanga würde ich jetzt gerne ein bisschen verwöhnen“, flüstert Iwan seinem Kollegen zu. Ihre grossen Tattoos glänzen in der Sonne. Die noch weissen Rücken bilden einen wirksamen Kontrast zu den Spinnen und Buchstaben.

Ein Schriftzug auf ihren Badehosen verrät die Nationalität. Die zwei kahlgeschorenen Russen, beides Angehörige der Moskauer Sicherheitsbehörde, sind mit ihren jungen Frauen und Kleinkindern nach Scharm el Sheikh gekommen, um sich im ägyptischen Badeort zu erholen. Sonne, Sand und Meer, das gibt es zu Hause im März nicht zu kaufen. Zwei Jahre lang haben sie für diesen Ausflug an den Golf von Akaba gespart. Jetzt ist der Traum von Wärme, Bier und Fleischeslust im Hotel Regency Plaza Tatsache geworden.

Wie Fliegen stürzen sich die Touristen in das Restaurant Florett, wo Oberkellner Samir und seine Kollegen ausgesprochen Mühe zeigen, die Horde hungriger und bierdurstiger Russen zu platzieren. Iwan und Sascha lassen sich ebenso wenig einen Tisch zuweisen, wie andere Landsleute. Ungestüm stürzen sie in die rechte Saalhälfte, wo sie noch freie Tische vermuten. Samir verwirft angesichts der fehlenden Kinderstube seine Hände, lässt sie aber sogleich wieder sinken. Zu wichtig sind ihm die Gäste aus dem kalten Norden fürs Geschäft.

Am Buffet dasselbe Bild. Russen, Polen und Italiener kämpfen sich vor die Töpfe und nutzen die Ellbogen, wenn es grad mal nicht vorwärts geht. Da wir geschaufelt, gehamstert, geschöpft und verschwendete, was das Zeug hält. Soviel kann eine Person gar nicht essen, wie da auf die Teller geladen wird. Besonders gierig geben sich die Gäste am Dessertbuffet. Kuchen, Patisserie, Schokolade und Früchte liegen gestapelt auf den Tellern, die an die Tische zurückgetragen werden. Einen beträchtlichen Teil der zu Türmen gehäuften Speisen bleiben dann allerdings liegen und müssen von den Kellern abgeräumt und entsorgt werden. Was für eine Verschwendung.

„Zuviele Russen“, meint Samir, der Oberkellner leise und macht die Faust im Sack. Dieses Volk hat einfach keine Manieren. Seit etwas acht Jahren kommen sie nach Ägypten und führen sich auf wie Besetzter. Mag sein, dass die frühere „Bruderhilfe“ in Erinnerung ist. Nun wollen sich die Gäste alles zurückkaufen, denn sie glauben, dass der Kapitalismus so funktioniert . Wer Geld hat, ist König und bestimmt die Regeln des Spiels.
Mohammed, der Pool-Boy, bläst ins selbe Horn. „Sie glauben, sie können sich aller erlauben“, meint er konsterniert. „Früher bedienten wir mehrheitlich Deutsche, Franzosen und Schweizer. Heute haben die Russen und Polen die Oberhand“. Man spürt einen latenten Abwehrreflex gegen die die neuen Imperialisten. Coiffeur Mechmed sieht es genau so: „Die Inflation an russischen Touristen ist nicht gut für Ägypten“, meint der in Alexandria geborene Friseur. Abends seien sie meistens betrunken. Und nicht selten würden die Einheimischen Zeugen, wie die Gäste ihre Frau schlagen.

An der Promenade von Naama-Bay, des neuen Stadtteils von Sharm el Sheikh, wimmelt es nur so von Osteuropäern. Lauthals wird gehandelt. Die Geschäft laufen in der Regel auf Russisch ab. Schnell haben die Händler gelernt. Badetücher, lederne Taschen, Jacken und Gürtel wechseln den Besitzer. In den Kaffees und Steak-Restaurants sitzen blonde Bleichgesichter und lassen sich von den ägyptischen Jungkellnern den Alkohol auftragen. Im Vergleich zu den Russen benehmen sich die ebenfalls präsenten Italiener geradezu still und bescheiden. Die Igors, Wladimirs und Petrowitschs dagegen protzen und prahlen, was das Zeug hält.

Am Pool des Hotels Regency lassen sich Iwan und Sacha von ihren Ehefrauen die Rücken einschmieren. Das erste Bier haben sie bereits konsumiert. Die Kellner, die nicht schnell genug auftragen können, werden verfolgt. Die von der Sonne gerötete Haut braucht Schutz und Feuchtigkeit. Murrend nehmen die beiden Moskowiter ihre Kleinkinder unter den Arm und machen sich auf Richtung Spielplatz. Ihre Gattinnen äusserten den Wunsch, an der Wasser-Gymnastik teilzunehmen. Auf dem Weg zum Sandkasten schnappen sich die beiden an der Pool-Bar einen Drink. „Schau dort die hübsche Rothaarige mit dem blau-gelben Bikini, die würde mir jetzt zusagen,“ meint Sascha zu seinem Kollegen. Nein, Kinderhüten ist nicht ihre Sache, da sind sich die beiden Russen einig. Bier, Frauen und gross Angeben dagegen schon.

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