Dienstag, März 30, 2010

Die Kinderverkäuferin

Unglaublich, wie jung die Verkäuferinnen und Verkäufer von ägyptischen Souvenirs sind. Wir treffen am „Blue hole“ ein und sind noch nicht aus dem Jeep ausgestiegen, da scharen sich die Kinder bereits um unser Auto. Unter ihnen ein etwa 10jähriges Mädchen, eingehüllt in ein blaues Kopftuch.
Von Karies zerfressen blitzen ihre Zähne aus dem sich öffnenden Mund: „Only one pound. You have to buy one“, sagt die Kleine in verständlichem Englisch. Aus einem Beduinentuch gucken mehrere kunstvoll geflochtene Hand- oder Fussbändeli hervor. Orange, grün, blau oder rot sind die Stoff-Schmuckstücke.

Wir haben im Moment anderes im Sinn. Instruktionen zum Tauchgang warten auf uns. Die Gruppe soll Neopren-Anzüge und Schnorchel, Brillen sowie Flossen mieten. Wir haben unsere Eigenen mitgebracht.
„Do you have a daughter. Please buy one“. Die Kleine mit dem blauen Kopftuch lässt nicht locker. Wir flüchten ins stinkende Kamel-Restaurant, zu dem das Beduinen-Kind offensichtlich keine Zutrittserlaubnis hat, denn sie bleibt erstarrt vor dem Eingang stehen. Gequält und halb betäubt vom Kamel-Piss-Gestank nehmen wir das erfrischende Cola sowie den Juice dankbar zu uns. Da das kostenpflichtige Klo (2 Pfund) links um die Ecke liegt, müssen wir das Lokal wieder verlassen.

„Can you buy one“, jammert die Kleine. „I need money for school“. Genervt greife ich den Rucksack und übergebe ihr einen der mitgebrachten, rot-weissen swissinfo-Kugelschreiber. „This is for your school“, erkläre ich der Kinderverkäuferin. „Can I have one for my brother and one for my cousin. They have to go to school as well”, doppelt sie nach. Und schon habe ich einen ganzen Schwarm von Kindern um mich. Alle strecken sie mir die Hände entgegen und betteln Kugelschreiber. Zum Glück habe ich eine Handvoll davon eingepackt. Stolz über das kleine Geschenk, probieren sie den Kuli gleich auf ihrer Handfläche aus.

Vom Klo zurückgekehrt, warten wir vor dem Ausgang auf den Rest der Gruppe. Und schon steht die Kleine mit dem blauen Kopftuch wieder da. „Please buy one of these“, drängelt sie und zeigt auf den Mund. „I am hungry. I need money. We are poor people.“ Sie legt mir ein Armbändeli ums Handgelenk und zurrt die Enden fest. So, so. Jetzt hat sie mich erwischt. Von allein kriege ich das Ding nicht mehr los. Mit der zweiten Hand lange ich in den Hosensack und hole eine ägyptische Pfundmünze hervor. Diese überreiche ich ihr für das aufgezwungene Souvenir. „Do you have a daughter. I know she would like one“, meint die Kleine selbstbewusst.. Und schon steht wieder eine ganze Schar von Kinderverkäuferinnen um uns herum und ruft: „Me too. Me too, buy one from me also.“

Der Tauchgang im „Blue hole“ rettet uns vor weiteren Käufen. Mit Maske und Schnorchel vor dem Gesicht treiben wir durch die Korallen und bewundern die farbigen Fische. Als wir vom Riff-Ausflug zurückkehren, steht die blau Betuchte schon wieder vor dem Restaurant. „You need another one. My brother and my sister are hungry too“, meint sie selbstbewusst. Mit den letzten Kugelschreibern kaufen wir uns frei und ziehen von dannen. Nun wissen wir, dass in Ägypten bereits 10-Jährige ihren Beitrag an das Familieneinkommen zu leisten haben. 15.3.2010

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