Montag, März 29, 2010

Der Fremdenführer

Said ist ein intelligenter Touristenführer. Die Sinai-Halbinsel sei anderhalbmal so gross wie die Schweiz, Kairo die drittgrösste Stadt der Welt, ein Beduin ein Wüstenbewohner, dessen Leben von der ägyptischen Regierung unterstützt werde, erzählt uns der 29jährige in lupenreinem Deutsch, fast ohne Akzent. Seit einigen Jahren versuche man, die Beduinen sesshaft zu machen. In jedem noch so kleinen Dorf werde eine Schule unterhalten, ein Brunnen gegraben. Ausserdem müssten auf Ausflügen in die Wüste Beduinen-Führer beschäftigt und bezahlt werden. Nein, diese im Bus mitzunehmen, sei den Tour-Büros nicht vorgeschrieben. Aber entschädigen müsse man sie.

Wir sind auf dem Weg zu einem Schnorchel-Abenteuer im „Blue hole“. In der Kamel-Kneipe stinkt es fürchterlich nach Kamel-Piss, weshalb wir die angefangene Cola-Flasche stehen lassen und das Lokal fluchtartig in Richtung Beach verlassen. Nach dem Tauchgang werden wir auf wartende Kamel gesetzt und über sechs Kilometer dem Strand entlang gehetzt. In der sengenden Hitze und im Staub kein sonderliches Vergnügen. Aber wir erreichen ein weiteres Nomadendorf, in dem wir eine weitere Eigenheit des Wüstenvolks kennenlernen: das Verkaufen von kleinen Souvenirs.

Said ist ein konservativer Touristenführer. Auf der Fahrt durch das ausgetrocknete Wadi erzählt er uns von Harems und der islamischen Tradition der Mehrfachehe. Jeder Mohamedaner dürfe mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein. Unter der Voraussetzung, dass die Ehefrauen auch damit einverstanden seien. Leicht irritiert von unserer Reaktion nennt Said zwei Gründe für den Jahrhunderte alte Brauch: Angesichts des Frauenüberhangs sei es notwendig, dass Frauen für den nötigen Nachwuchs sorgen. Nach dem zweiten Weltkrieg sei dies in Deutschland auch der Fall gewesen (Anmerkung ps: Nur hat man 1945 im Nachriegsdeutschland die Mehrfachehe nicht eingeführt). Und ausserdem, so fährt Said fort, sei ein Mann für jede Frau Beschützer und Versicherung zugleich. Im Koran stehe, dass ein Mann auch mehrere Frauen gleichzeitig betreuen und ernähren müsse…….

Der gedankliche Sprung zur Jungfräulichkeit ist beim dem heiklen Thema nicht mehr weit. Vorehelicher Sex, so Said, sei vom Koran verboten und junge Ägypterinnen gehalten, erst mit dem Mann ihres Lebens, also mit dem Ehemann, ins Bett zu steigen…. Für Männer gelte diese Regel nicht. Auf Nachfragen gibt der Fremdenführer zu, dass der Koran und die Praxis zuweilen weit auseinanderdriften. Denn auch junge Ägypterinnen spürten im 21. Jahrhundert ihre Hormone. So komme es halt vor, dass eine junge Frau in der Hochzeitsnacht bereits entjungfert sei. Dies könne auch beim Velofahren passieren, was dann halt mit dem Bräutigam besprochen werden müsse.
Von den Omas erhalte man dann den Tipp, vor dem ersten Beischlaf mit dem Ehemann eine mit Blut gefüllte Mini-Schweinsblase in die Vagina einzuführen. Letztere platze dann unter dem Druck des Eindringlings, worauf der blutige Beweis für die Entjungferung dann erbracht sei. Neuerdings bieten ägyptische Apotheken laut Tagesanzeiger-Magazin sogar künstliche Jungfernhäutchen an. Eine von einem Ring gespannte PVC-Folie, die vor dem ersten ehelichen Beischlaf in der Vagina montiert wird, und die dann vom Bräutigam durchstossen werden darf. Kostenpunkt: zwischen 200 und 400 Franken……. Das Befolgen des Korans hat auch in Ägypten seinen Preis.

Said ist ein gebildeter Mensch. Zwar nicht weitgereist, denn in Europa war er noch nie. Aber über die politischen Hauptthemen der Schweiz dieser Tage hat er in den Medien gehört und gelesen. Dass die Minarett-Initiative vom Volk angenommen wurde, sei für ihn keine Überraschung gewesen, meint er: schliesslich sei die Schweiz ein christliches Land und da könne ja müsse man doch verstehen , wenn die Bewohner den Bau nicht-christlicher Symbole, also Minarette, wenig schätzten. Und überhaupt: Die Ausübung des Islams sei nicht an Minarette gebunden. In Ägypten gebe es viele Moscheen ohne Minarette.

Natürlich hat Said seine Vorstellungen von der Schweiz: diese sei berühmt für ihre Banken, Uhren und den Käse. Schokolade identifiziert er nicht speziell mit der Alpenrepublik. Den gebe es auch anderswo. Aber die Schweizer Frauen seien in Ägypten willkommen. Auffallend viele Vertreterinnen des zarten Geschlechts reisten regelmässig in die ägyptischen Touristen-Hochburgen, um sich dort von braungebrannten, charmanten und potenten Einheimischen verwöhnen zu lassen.

Ob sie denn für heute oder morgen Abend schon Pläne hätten, will Said von den beiden Zürcherinnen Tanja und Susi wissen. Falls nicht, würde er ihnen gerne den Old Market in Scharm el Sheikh und einige angrenzende Lokale zeigen. Natürlich völlig unverbindlich und ohne Honorar, sondern in seiner Freizeit, fügt er spitzbübisch bei. Die beiden jungen Frauen lehnen dankend ab und blicken sich fragen an. Said ist ein konservativer Fremdenführer. Aber nur, wenn es um das Image des Islam und Ägyptens geht.

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