Donnerstag, Februar 01, 2007

Von Basel über Berlin, New York nach Las Vegas


Die Karriere des Daniel Habegger, der als Black-Jack-Dealer und Künstler in der Luxus-Wüste lebt und dort von Elvis schwärmt und tagsüber Bilder malt und nachts Trinkgelder kassiert und sich seine Gedanken zum Prinzip Verschwendung macht.

Man möge bitte nicht vor zehn Uhr morgens anrufen, lautet der Wunsch. Zwischen 14 Uhr und 18 Uhr aber sei er gerne zu einem Gespräch bereit; nachher müsse er «zur Arbeit», sagt Daniel Habegger am Telefon. Als wir dem geborenen Basler unter seiner von Palmen umsäumten Haustür in Henderson, einem Vorort von Las Vegas, gegenüberstehen, klärt sich das Rätsel: Der Künstler malt tagsüber zu Hause und arbeitet nachts als Croupier oder Black-Jack-Dealer im «Golden-Nugget»-Casino.

Der 41-Jährige bezeichnet seine ungewöhnliche Arbeitszeit als «ideale Kombination»: Wenn er morgens um 10 Uhr aufsteht, ist er ausgeruht für seine «Leidenschaft», die Kunst. Abends, wenn seine Nachbarn aus dem Büro nach Hause kommen, stürzt sich Daniel Habegger in die «Dealer-Kluft» und fährt nach «Downtown» zum «Gambling». Auf dem Gilet prangt ein Schweizer-Kreuz-Pin; das Namensschild verrät: «Basel, Switzerland».

Für Habegger ist Las Vegas nicht unbedingt eine Stadt des Glitters, sondern eine «Grenzerfahrung zwischen Luxus und Selbstbeschränkung». Er sieht die Metropole «erfüllt von der emanativen Präsenz Elvis Presleys», der ein zentrales Element in seinem Schaffen bildet. Den Künstler interessiert der Kontrast zwischen dem privaten Abbild des Sängers und dessen Legende, dem öffentlichen Image: «Jedermann kann etwas über Elvis Presley sagen, aber niemand kennt ihn», behauptet der Schweizer.

Elvis und die Kunst

Habeggers Verbundenheit mit dem Rock-and-Roll-König geht auf einen einzigartigen biografischen Vorfall zurück: 1991 hatte er im Zusammenhang mit einem Unfall eine «Near-death»-Erfahrung, in der Elvis eine zentrale Rolle spielte. Diese Erfahrung hat Habeggers ganzes Leben verändert. «Die Realität ist immer kodiert, oft nur ein Klischee unserer Einbildung», weiss er seither. Bilder, die sich verselbstständigen und die Fantasie nachahmen, interessieren ihn. «Ich bin kein Romantiker, kein Maler schöner Landschaften oder idyllischer Tierbilder», präzisiert er. Näher als die Naturalisten liegen ihm Joseph Beuys, Gerhard Richter, der frühe Frank Stella sowie James Rosenquist.

Eines seiner Bilder zeigt Elvis Presley, der gerade eine Blondine (Marilyn Monroe?) küsst; auf anderen Werken sind die Vorfahrt zum «Graceland»-Refugium, eine Backsteinmauer und das gerasterte Knie eines Baseball-Spielers zu sehen.

«Las Vegas ist eine Stadt ‹sui generis›», findet der Künstler, «die Westachse von Babylon». Und warum arbeitet er ausgerechnet hier? Die Stadt fasziniert ihn, zieht ihn magisch an: «Las Vegas zelebriert das Prinzip der Verschwendung. Hier kann ich leben wie ein König», erklärt er. In den Palästen, Hotelfassaden, Leuchtreklamen, Wasserspielen und vergnügungssüchtigen Menschen spiegelt sich das Thema seiner Kunst wider: Privater Raum wird öffentlich; Fiktion und Realität stehen in einem Spannungsverhältnis.

Biografie


Daniel Habegger wurde 1958 in Basel geboren. Nach dem Familienumzug nach Therwil, wo seine Eltern noch heute leben, besuchte er das Gymnasium. Unter Lenz Klotz, Werner Jehle und Robert Stoll ging er an die Kunstgewerbeschule und liess sich zum Zeichenlehrer ausbilden. Zwischen 1984 und 1994 war er in Berlin zuerst Student und dann Dozent an der Hochschule der Künste. Doch die deutsche Wiedervereinigung trieb die Wohn- und Ateliermieten in unermessliche Höhen. So sah sich der Schweizer 1994 gezwungen, nach New York auszuwandern. Am «Institute for Contemporary Art» genoss er ein PSI-Stipendium und arbeitete im eigenen Atelier am Times Square. Als ihm auch dieser Raum gekündigt wurde, entschied er sich für Las Vegas.

«Mich zog es schon immer in die Wüste», erinnert er sich. und ein Blick in den Vorgarten zeigt, dass der Künstler mit der Wüste und deren Unwirtlichkeit sehr bewusst lebt: Zu den vorhandenen Palmen seines Anwesens hat er nur einheimische Pflanzen gekauft und die Sprinkleranlage durch ein umweltschonendes Tropfbewässerungssystem ersetzt. Über Düsen und Ventile gelingt es ihm, jede einzelne Wurzel separat zu bewässern. Die Wasserersparnisse dieser Umstellung waren enorm.

Trotz des trocken-heissen Klimas und dem Wunsch, Amerikaner zu werden, bleibt Habegger der Schweiz und der Rheinmetropole verbunden. Basel sei für ihn «ein Glücksfall» gewesen: Die Ausstellungen in der Galerie Beye-ler, im Kunstmuseum (um die Person Dieter Koepplins) und in der Kunsthalle hätten ihn «zur Kunst gebracht».

Die Kunst und die Wüste

In Las Vegas faszinieren ihn ausser der Wüste vor allem die Menschen. «Wahnsinnige Begegnungen» mache er fast jede Nacht, erzählt er. Touristen des oberen Mittelstandes, Künstler, Schauspieler und Cowboys gehörten am Roulette-Tisch bis vier Uhr morgens zu seinen Kunden. Dass er selber witzig und unterhaltend wirkt, obwohl ihm nicht immer danach ist, liegt in seinem eigenen Interesse: 95 Prozent der Tageseinnahmen eines Dealers stammen aus Trinkgeldern.

Der Besuch im «Golden-Nugget»-Casino erinnert uns an ein Vorgespräch zu einem Kunstkauf. Habegger stimmt zu: Der Kunsthandel habe durchaus Parallelen zum Gambling. Kunsthändler wie Beyeler und Bischofberger seien «Royal Flushes» im Kunst-Poker. In Las Vegas übt Steve Wynn diese Funktion aus: Dessen «erstes Haus», das «Golden Nugget», war lange Zeit die «Cash-cow» für das Gesamtunternehmen «Mirage Resorts».

Glücklicherweise sei er Black-Jack-Dealer und nicht Kunst-Dealer geworden, bemerkt Habegger zum Schluss und verschwindet im Gedränge des funkelnden Casino-Saals.

Von Peter Schibli, Las Vegas

Keine Kommentare: