Sonntag, Januar 20, 2008

Demo in Bern: die beiden Seiten im O-Ton

Polizei-Communiqué: Situation in der Stadt Bern, Samstag, 19. Januar 2008, (Stand 1900 Uhr) im Zusammenhang mit der unbewilligten Anti-WEF-Demonstration

Rund 200 Personen angehalten

Zusammenfassung der Zwischenorientierung von Dr. Stefan Blättler, Kommandant der Kantonspolizei Bern

Der Gemeinderat der Stadt Bern hat am 17. Januar 2008 auf Antrag der Kantonspolizei Bern die für die Kundgebung der Anti-WEF-Bewegung erteilte Bewilligung widerrufen. Grund für den Entscheid war die aktuelle Lagebeurteilung der Kantonspolizei und des Bundes (Dienst für Analyse und Prävention).

Entscheidend für den Antrag der Kantonspolizei war:
- der Organisator hat sich öffentlich nicht von Gewalt distanziert
- nicht mehr regionale, sondern angekündigte nationale Militanz
- damit verbunden hohes Gewaltpotenzial.
Für die Kantonspolizei Bern hat die Ablehnung des Gesuchs – wie sie am Donnerstag und Freitag öffentlich kommuniziert hat - bedeutet, dass sie in diesem Zusammenhang keine Demonstrationen oder Spontankundgebungen tolerieren wird.
Der Auftrag des Gemeinderates hat zu folgender Entschlussfassung geführt:
- sicherstellen, dass die Zufahrten auf Strasse und Schiene zur Stadt Bern überwacht werden
- keine Art von Demonstration tolerieren
- Straftaten erkennen und Straftäter ins Recht fassen
- auch auf Unvorhergesehenes reagieren können
- ordentliche Polizeidienstleistung im ganzen Kanton.
Ziel des Polizeieinsatzes ist die Gewährleistung der Sicherheit in der Stadt Bern und damit auch das Verhindern jeder Art von Demonstration mit konsequentem, selbstverständlich verhältnismässigem Handeln. Wie ebenfalls bereits kommuniziert, haben die Mittel der Kantonspolizei durch zusätzliche Kräfte aus dem Polizeikonkordat Nordwestschweiz verstärkt werden müssen. Der konkrete Mittelbedarf ergibt sich aus der jeweiligen Lagebeurteilung. Aus verständlichen Gründen können weder konkrete Angaben zur Stärke noch zum polizeitaktischen Dispositiv gemacht werden.
Einige bisherige Feststellungen
- Nachdem schon am Donnerstagabend trotz fehlender Bewilligung erneut zu einer Demonstration aufgerufen worden ist, haben sich konkrete Erkenntnisse auf eine nationale Mobilisierung gezeigt. Das hat sich heute denn auch bestätigt.
- Polizeilich festgestellt worden sind am Freitag und Samstag auch verschiedene Vorbereitungshandlungen, die auf einen gewalttätigen Charakter hinweisen.
- Im Verlauf des Samstag Vormittags sind im Rahmen eines dichten Kontrollnetzes bereits mehrere Personen angehalten worden.
- Nach 15 Uhr haben auf dem Waisenhausplatz, auf dem Theaterplatz und auf dem Casinoplatz Ansammlungen von Menschen stattgefunden, die Demonstrationscharakter haben. Ein Teil der Demonstranten hat sich auch durch die Marktgasse verschoben. Die Kantonspolizei hat interveniert und gegen 200 Personen angehalten, darunter auch Führungspersonen aus der schweizerischen Aktivistenszene. Sie werden durchsucht, überprüft, ihre Identität wird festgestellt und sie werden zur Sache befragt; gegebenenfalls werden sie beim Richter verzeigt.
Zusätzlich ist es auch im Monbijou-Quartier zu Ansammlungen gekommen. Während der ganzen Zeit musste die Polizei nur vereinzelt Reizstoff und Wasser zur Klärung der Situation einsetzen. Über Sachschäden sind bisher Sprayereien an der Kramgasse (die Täteschaft konnte angehalten werden) und an einem Gebäude an der Papiermühlestrasse bekannt.

Der öffentliche Verkehr in der Innenstadt war von 1430 Uhr bis 1845 Uhr zeitweise beeinträchtigt.

Das Handeln der Kantonspolizei beruht auf klaren gesetzlichen Bestimmungen. Gemäss kantonalem Polizeigesetz Art. 32 kann die Polizei Personen in Gewahrsam nehmen, wenn dies zur Verhinderung der unmittelbar bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer erheblichen Straftat erforderlich ist. Dazu kommt Art. 260 Strafgesetzbuch "Landfriedensbruch", also die Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden. Dabei liegt gemäss Rechtsprechung Gewalttätigkeit auch dann vor, wenn physische Kraft nicht angewendet, sondern nur angedroht wird. Erforderlich ist, dass der Täter um den Charakter der Ansammlung weiss, was angesichts der klaren, schweizweit kommunizierten Behördeninformation im Vorfeld des heutigen Samstags gegeben ist.


Die andere Seite:


Communiqué der Demo-Organisatoren (Bündnis globaler Widerstand) zum Demosamstag 19.01.08 in Bern
Über 1000 Menschen versuchten ruhig in der Bundeshauptstadt gegen das World Economic Forum in Davos zu demonstrieren.

Das grösste Polizeiaufgebot, welches die Stadt Bern seit Jahren gesehen hat, schaffte es nicht, die sich ruhig verhaltenden Menschen aus der Stadt zu vertreiben oder eine Kundgebung zu verhindern. Die KundgebungsteilnehmerInnen stimmten immer wieder Antistaatsgewalt-Sprechchöre an. Damit wurde eindrücklich bewiesen, dass weder die Stadtpolizei noch Police Bern in der Lage sind uns zum Schweigen zu bringen.

Weit mehr als 100 Verhaftete wurden zum Teil seit dem Morgen um 11.00 Uhr im Waisenhaus und in der Laubeggstr. 6, (Visanagebäude) festgehalten. Bernmobil war so freundlich ihre Linienbusse für die Gefangenentransporte zur Verfügung zu stellen. Ein für Bern einmaliges Vorgehen.

So wurde Giovanni „Fashion“ Schumacher während einer Medienkonferenz auf dem Waisenhausplatz kurz vor 15.00 Uhr verhaftet. Christof N. von unserer Pressegruppe wurde vor der Kundgebung verhaftet.
Das Bündnis für Globalen Widerstand fordert die Polizei und Stadtbehörden auf alle politischen Gefangenen sofort freizulassen.

Von den ruhigen Menschen gingen keine Aggressionen aus. Fünfmal gelang es 200 bis über 1000 Menschen sich zu einem Demonstrationszug zu formieren, der jeweils mehrere Hundert Meter weit kam, bevor sie von der Polizei gestoppt werden konnten.

Es gab den ganzen Tag keine erwähnenswerten Sachbeschädigungen (ausser von Seiten der Polizei) und es wurden keine unbeteiligten Menschen durch KundgebungsteilnehmerInnen gefährdet. Dies nur dank dem disziplinierten und zurückhaltenden Verhalten der DemonstrantInnen. Die Polizei legte mehrmals mehrere Tram- und Buslinien lahm.

Wir konnten wegen dem martialischen Polizeiaufgebot unsere Inhalte zum World Economic Forum leider nicht äussern. Die Meinungsäusserungsfreiheit war heute in der Haupstadt dieses Staates, welcher sich demokratisch nennt, zu keinem Zeitpunkt möglich.

Die Haltung des Berner Gemeinderates, der Medien und dadurch auch der, der verblendeten Menschen in der Schweiz wurde durch den 10vor10 Beitrag am Mittwochabend entscheidend sehr negativ Beeinflusst. Zu keinem Zeitpunkt hat das Bündnis für Globalen Widerstand zu Gewalt aufgerufen. Giovanni „Fashion“ Schumacher hat klar und deutlich erklärt, das nächste Woche, also ab Montag 21.01.2008 Militante Aktionen in der ganzen Schweiz stattfinden werden.

Wie alle heute in Bern Anwesenden Menschen bezeugen können, kam es zu keinem Zeitpunkt zu überraschenden Aktionen oder Ausschreitungen von Seiten der KundgebungsteilnehmerInnen, die Aktionen der Staatsgewalt ausgenommen.

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