Dienstag, November 27, 2007

Vater und Mutter respektieren, nicht hassen


Post eines unbekannten Jugendlichen: Was ich mich in den letzten Wochen immer wieder und immer intensiver frage: Wenn es heisst: „Du sollst (bzw.: „wirst“!) deinen Vater und deine Mutter ehren“, was ist dann damit genau gemeint? Wie weit geht diese „Ehre“, dieser „Respekt“ ihnen gegenüber, wenn ich es mal vorsichtig definiere?

Ich stehe mit meinen Eltern momentan nicht nur auf Kriegsfuß, wie es so schön heißt, sondern überdenke mittlerweile alles, was zwischen uns geschieht, aus einer völlig anderen Sichtweise als zuvor.

Und wenn ich es recht überlege, ist zwischen uns eine absolute Kluft entstanden, eine totale Vertrauenslosigkeit. Ich stelle ihre Prinzipien nicht nur für mich in Frage, sondern zeige ihnen, dass ich anders denke als sie, was sie, ebenso wie mich, in eine naja... „Krise“ gestürzt hat, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte, dass es so weit in meinem Leben jemals kommen wird.

Muss ich, nur um diese „Ehre“ ihnen gegenüber zu bewahren, zu allem „Ja“ und „Amen“ sagen, und damit meine ich nicht „nur“ bei „normalen“ Problemen, sondern bei grundsätzlichen Dingen des Lebens, ja... „Lebensgrundsätzen“, bei meinem bzw. ihrem Lebensprinzip, Lebenskonzept? Ist es nicht mein Recht als ihre Tochter, auch „Nein“ zu sagen, andere Ansichten zu haben, mich kritisch zu dem zu äußern, was sie denken, von dem sie völlig, und damit meine ich wirklich „völlig“ und „absolut“ überzeugt sind? Ist es nicht eigentlich ihre Aufgabe als Eltern, wie man es so schön sagt, mich zu einem eigenständigen und mündigen Menschen zu erziehen, der Verantwortung für sich und andere übernehmen kann usw.?

„Ich hätte es mich nicht gewagt, zu meiner Mutter einfach „Nein“ zu sagen“, erklärte mir mein Vater, und äußerte dann: „ich wünsche dir, dass das später deine Tochter auch einmal zu dir sagt.“ --???-- Soll oder muss ich dieses Denken damit entschuldigen, dass er in einer anderen Generation lebt, die das Widersprechen gegenüber der elterlichen Autorität einfach nicht kannte/kennt?

Ich bin mit meinem Latein fast am Ende... und will doch etwas daran ändern, unser Verhältnis zueinander wieder bessern, auch wenn ich eigentlich nicht mehr so recht glauben kann, dass das möglich ist.

Antwort eines anderen unbekannten Jugendlichen:

Zunächst mal halte ich es für sehr erfreulich, daß sich überhaupt jemand über biblische "Gebote" Gedanken macht, sodann aber muß ich die Interpretationsansätze von Valas als nicht zutreffend bezeichnen.

Erstens: es geht in keinem Fall darum, daß Du die Meinung Deiner Eltern akzeptieren mußt, weder kritiklos noch mit Kritik. Es geht auch nicht darum, daß Du ihre Meinung aufgrund ihres Alters respektieren mußt, wenn sie zum Beispiel offensichtlich unsinnig ist. Alter allein macht keineswegs weise und Eltern machen genauso Fehler wie alle anderen auch.

Zweitens: Jesus selbst erläutert im Matthäus-Evangelium dieses Gebot (Matthäus 15,4ff). Das Beispiel, was er hier bringt (es geht darum, daß die jüdischen Oberen ein Gesetz erlassen haben, das besagt, wer dem Tempel spendet sei frei davon, für seine Eltern zu sorgen) läuft darauf hinaus, daß es ganz wesentlicher Teil des Ehrens ist, für seine Eltern zu sorgen, für seine Eltern da zu sein, wenn sie ihre Kinder brauchen (was mit zunehmendem Alter relevanter wird).

Weiterhin ist natürlich auch der Umgang im alltäglichen Leben betroffen. Hier lege ich das Gebot dahingehend aus, daß der UMGANG mit den Eltern von Respekt und Liebe geprägt sein soll. Heißt: Du kannst durchaus eine andere Meinung haben als Deine Eltern, Du kannst auch andere Wege gehen als diejenigen, die sich Deine Eltern wünschen. ABER: Du solltest Dir vorurteilsfrei anhören, was sie zu sagen haben und RUHIG mit ihnen sprechen, sie nicht ausspotten. In diesem Fall macht auch der Ton die Musik.

Der "Gehorsam", der auch ein Teil des Ehrens ist, wird natürlich nur verlangt, solange es sich noch um "Kinder" handelt. Eine Abgrenzung ist hier im Einzelfall schwierig, ich persönlich würde schon eine gewisse Selbstständigkeit des Kindes verlangen.

Als Fazit lasse ich mal den Apostel Paulus zu Wort kommen:
Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn und hasst sie nicht; denn das ist recht. "Ehre Vater und Mutter...", das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat. "... auf daß dir's wohlergehe und du lange lebest auf Erden." Epheser 6, 1-3

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